Kriterien für die Zulassung von Photovoltaik-Freiflächenanlagen in der Gemeinde Gomadingen

A) Ausgangssituation

Die Förderung des Ausbaus und der Nutzung der erneuerbaren Energien ist nicht erst seit dem Krieg in der Ukraine ein zentraler Baustein für die Energiewende. Solarenergie, Windenergie und Wasser sind in unserem Land die zentralen Säulen für das Erreichen der gesetzten Klimaschutzziele und für die Sicherung der Energieversorgung.

Aufgrund der relativ hohen Sonneneinstrahlung ist in unserer Raumschaft neben dem Wind die Nutzung der Sonnenenergie eine der wichtigsten regenerativen Energiequellen.

Mit der Einführung des Gesetzes für den Ausbau erneuerbarer Energien (EEG) wurden dafür verbindliche Förderrichtlinien und Rahmenbedingungen geschaffen.

Seit Inkrafttreten der Freiflächen-Öffnungsverordnung des Landes Baden-Württemberg sind auf landwirtschaftlichen Flächen errichtete Solaranlagen nach dem EEG förderfähig, sofern die Flächen als sogenannte „benachteiligte“ Gebiete eingestuft sind. Dies gilt für Solaranlagen mit einer Nennleistung ab 750 Kilowatt bis derzeit maximal 20 Megawatt. Die landwirtschaftlichen Flächen im Gebiet der Gesamtgemeinde Gomadingen fallen vollständig in die Kategorie „benachteiligt“.

Freiflächen-Solaranlagen in besonders sensiblen Bereichen wie zum Beispiel Bereiche mit besonderer Bedeutung für das Landschaftsbild, größere Waldflächen, Kernflächen im regionalen Biotopverbund wie FFH-Gebiete, Vogelschutzgebiete, Naturschutzgebiete, Kernzonen und Pflegezonen des Biosphärengebiets, gesetzlich geschützte Biotope, Bannwälder, Schonwälder und flächenhafte Naturdenkmale sind nicht zulässig.

Mit der 4. Änderung des Regionalplans Neckar-Alb ist unter anderem die Nutzung der Sonnenenergie seit 29.01.2021 verbindlich festgelegt.

Ziel ist es, den Städten und Gemeinden im Rahmen der kommunalen Bauleitplanung ausreichend Raum für die Errichtung von Freiflächen-Photovoltaikanlagen einzuräumen sowie gleichzeitig vor dem Hintergrund landwirtschaftlicher und landschaftlicher Belange einen Orientierungsrahmen für die Steuerung der Ansiedlung von solchen Anlagen zu geben.

Es ist politischer Wille des Regionalverbands Neckar-Alb, die Nutzung der Sonnenenergie im Innen- und im Außenbereich zu fördern, sodass in der Region Neckar-Alb ein substanzieller Beitrag zur Bewältigung des Klimawandels geleistet werden kann.

Da Freiflächen-Photovoltaikanlagen keine privilegierten Vorhaben im Außenbereich gem. § 35 BauGB sind, ist deren Genehmigung über die Bauleitplanung zu erwirken. Auf dieser Planungsebene sind weitere rechtliche Erfordernisse abzuprüfen, Vorgaben für die ökologische Gestaltung und die Einbindung in die Landschaft zu definieren und die Akzeptanz in der Bevölkerung zu klären. Der Regionalplan setzt an dieser Stelle nur einen Rahmen für die Ebene der Bauleitplanung.

B) Erneuerbare Energien innerhalb der Gemeinde Gomadingen

Auf dem Gebiet der Gemeinde Gomadingen wurden bereits bisher durch private und kommunale Anstrengungen erhebliche Mengen an erneuerbaren Energien erzeugt. Dazu tragen neben den vielen privaten Photovoltaikanlagen auf Hausdächern und auf Dächern von landwirtschaftlichen Betrieben auch die Holzhackschnitzelanlage im Bereich der Sternberghalle bei. Darüber hinaus ist der Bau von insgesamt 5 Windrädern mit einer Gesamtleistung von 72.000 Megawatt (23.000 Haushalte) auf der Zielgeraden und wird voraussichtlich ab 2023 in die Umsetzungsphase gehen. Auch die beiden Anlagen in Offenhausen und Dapfen mit Energieerzeugung durch Wasserkraft tragen zur guten Bilanz der regenerativen Energieerzeugung bei. Die Gemeinde leistet also auch ohne Freiflächen-Photovoltaikanlagen bisher schon einen riesigen substantiellen Beitrag zur Erzeugung erneuerbarer Energien und damit zum Klimaschutz.

C) Kriterien für Freiflächen-Solaranlagen

Nachfolgend werden verschiedene Kriterien für die Umsetzung von Freiflächen-Photovoltaikanlagen dargestellt.

1. Sichtbarkeit/ Landschaftsbild (Ausschlusskriterium)

1) Freiflächen-Photovoltaikanlagen dürfen aus Wohngebäuden, auch aus Wohngebäuden von Aussiedlerhöfen, nicht sichtbar sein.

2) Der Bau von Photovoltaikanlagen in Sichtbeziehung zur Wohnbebauung kann abweichend zu Satz 1 dann möglich sein, wenn die betroffenen Eigentümer ihr Einverständnis mit dem Bau der Anlagen schriftlich erklären.

3) Eine Blendwirkung auf Wohngebäude (insbesondere Draufsicht) ist in jedem Fall auszuschließen. Die Abstandsflächen zu bebauten und beplanten Siedlungsflächen sowie zu Kulturdenkmälern müssen angemessen sein und werden im Einzelfall beurteilt.

4) Freiflächen-Solaranlagen dürfen nicht an den Hanglagen des Lautertals oder eines der Seitentäler gebaut werden. Ebenso dürfen auch solche Anlagen nicht an den Hauptverkehrsstraßen sowie an landschaftlich schön gelegenen Straßen und Wegen errichtet werden.

5) Der Projektentwickler/Antragsteller muss im Vorfeld eines Bauleitplanverfahrens nachvollziehbar darlegen, dass die vorgenannten Punkte gewährleistet sind. Dies kann mit einer Sichtbarkeitsanalyse, einer Visualisierung oder ähnlichem erfolgen.

6) Gegebenenfalls soll der Projektierer darlegen, dass die Sichtbarkeit der Freiflächen-Solaranlage durch das Anlegen von durchgehendem Sichtschutz, zum Beispiel Hecken (Pflanzhöhe mindestens mit Sträuchern in Höhe von 1 Meter beim Einpflanzen bzw. später Modulhöhe) ausreichend begrenzt werden kann.

7) Freiflächen-Photovoltaikanlagen dürfen nur auf Grünflächen errichtet werden.

8) Die Netzanbindung hat über Erdverkabelung zu erfolgen.

9) Sofern Ökopunkte generiert werden, gehen diese unentgeltlich an die Gemeinde über.

2. Landwirtschaft und Bodenqualität

1) Der Ausbau von Freiflächen-Photovoltaikanlagen muss im Einklang mit den regionalen agrarstrukturellen Belangen stattfinden und darf nicht dazu führen, dass der Landwirtschaft durch Flächenverlust die Grundlage der Bewirtschaftung entzogen wird. Dabei ist zu beachten, dass eine Lebensmittelerzeugung Vorrang vor der Energieerzeugung haben muss.

2) Der Bau von Freiflächen-Photovoltaikanlagen soll nicht zu einer Verknappung von hochwertigen landwirtschaftlichen Flächen führen. Kommen mehrere Flächen für Freiflächen-Photovoltaik in Frage, sind Flächen mit geringerer Bodenklasse zu bevorzugen. Flächen mit höherer Bodenklasse sind als Agri-PV-Anlage auszuführen. Die Einordnung der Flächen in die jeweiligen Bodenklassen ist darzulegen. Die Einstufung ist gegebenenfalls im Einzelfall durch das Landratsamt (Bodenschätzung) zu überprüfen und nachzuweisen.

3) Die Priorisierung nach Bodenklassen gilt nicht für Solarparks, auf deren Flächen gleichzeitig Kulturpflanzen angebaut werden (Agri-Photovoltaik, insbesondere Solarparks mit hochaufgeständerten oder bifazialen Modulen).

3. Verträglichkeit mit Natur- und Artenschutz

1) Der Projektentwickler bzw. Projektbetreiber muss darlegen, wie die Flächen nach Inbetriebnahme gepflegt werden. Dies muss so erfolgen, dass die Artenvielfalt auf den Flächen gefördert wird.

2) Orientierung bietet dabei das gemeinsame Papier der baden-württembergischen Umweltverbände sowie der Handlungsleitfaden „Freiflächen-Solaranlagen“ des Umweltministeriums Baden-Württemberg. Zu empfehlen ist zum Beispiel eine extensive Pflege der Flächen mit Schafbeweidung oder Mahd.

3) Die nicht überschirmte Freifläche bzw. Biotopfläche beträgt mindestens 25-50 %. Größere Freiflächen-Solaranlagen müssen entsprechend größere Modulabstände aufweisen.

4) Der Betreiber muss durch ein Mindestmaß an Pflege der Fläche gewährleisten, dass die Bewirtschaftung benachbarter landwirtschaftlich genutzter Flächen nicht beeinträchtigt wird.

4. Regionale Wertschöpfung, kommunale Interessen, Beteiligungsmöglichkeiten

1) Die Gemeinde Gomadingen legt Wert darauf, dass von Freiflächen-Solaranlagen nicht nur Einzelne einen finanziellen Nutzen haben, sondern dass allen Bürgerinnen und Bürgern eine gewisse Beteiligungsmöglichkeit an den Anlagen ermöglicht wird.

2) Ab einer installierten Leistung von 1 Megawatt ist die marktgerechte Beteiligung von mindestens 10 % an der Anlage durch Bürgerinnen und Bürger Projektvoraussetzung, sofern dies von der Bürgerschaft in Anspruch genommen wird.

3) Freiflächen-Solaranlagen auf kommunalen Flächen werden bevorzugt ermöglicht.

4) Anlagenbetreiber müssen ihren Unternehmenssitz in der Gemeinde Gomadingen haben.

5) Die Wahrung kommunaler Interessen regelt ein städtebaulicher Vertrag.

5. Flächengröße – Begrenzung des jährlichen Zubaus sowie des maximalen Zubaus insgesamt

1) Pro Kalenderjahr wird der Gemeinderat grundsätzlich nicht mehr als eine Freiflächen-Solaranlage über die Bauleitplanung ermöglichen, unabhängig von der Größe der Anlage.

2) Die maximale Größe pro Solarpark beträgt 5 ha (Ausdehnung insgesamt, nicht nur die von den Solarmodulen überdachte Fläche). Dies umfasst nicht die Ausgleichsflächen, die gegebenenfalls zusätzlich nachgewiesen werden müssen. Die 5 ha können sich über mehrere aneinander angrenzende Flurstücke und auch über Flächen unterschiedlicher Eigentümer erstrecken.

3) Stichtag für die Berücksichtigung von Anträgen auf Aufstellung eines Bebauungsplans zur Errichtung eines Solarparks ist jeweils der 1. Oktober eines Kalenderjahres, erstmals der 1. Oktober 2022.

4) Der Gemeinderat wird jährlich bei Bedarf erneut beurteilen, ob ein weiterer Zubau an Freiflächen-Solaranlagen dann noch mit dem Landschaftsbild verträglich ist. Eine Konsequenz hieraus könnte sein, dass danach kein weiterer Zubau mehr ermöglicht wird.

6. Anwendung der Kriterien

1) Solaranlagen auf Freiflächen können nur dann über die Bauleitplanung ermöglicht werden, wenn das Kriterium 1. Sichtbarkeit/ Landschaftsbild erfüllt wird (Ausschlusskriterium).

2) Die Kriterien 2-6 sind als Abwägungskriterien zu verstehen. Wenn bei einem Solarprojekt an einem bestimmten Standort nicht alle Kriterien vollständig erfüllt sind, kann der Gemeinderat in der Gesamtschau aller Kriterien abwägen, ob das Projekt noch als verträglich eingestuft wird und ob der Nutzen für die Erzeugung regenerativer Energien überwiegt. Kommen gleichzeitig mehrere Projekte oder Standorte in Frage, können diese anhand der Kriterien miteinander verglichen werden.

3) Interessenten, die auf dem Gemeindegebiet einen Solarpark errichten wollen, müssten gegenüber der Gemeinde nachvollziehbar darlegen, dass ihre Projekte den Kriterien entsprechen und wie sie ihr Projekt im Hinblick auf die in den Kriterien genannten Aspekten ausgestalten werden. Anhand dieser Darstellungen wird der Gemeinderat die geplanten Projekte der Interessenten vergleichen und über die Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans entscheiden. Sollte sich in der Anwendungspraxis herausstellen, dass gemäß den Kriterien zu viele Flächen für Photovoltaik zur Verfügung stehen, wird der Gemeinderat über eine Änderung der Kriterien im Sinne von restriktiveren Formulierungen beraten.

Gomadingen, den 19. Juli 2022

gez.
Betz, Bürgermeister